Ehrenfried Pfeiffer, Pionier geisteswissenschaftlicher Forschung

Zu seinem Todestag vor 33 Jahren

Aus: »Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht« Nr. 47/1994
von © Arnold Johannes Jäger

Vor 33 Jahren, am 30. November 1961, verließ der Pionier anthroposophischer Forschung Ehrenfried Pfeiffer den physischen Plan. Am Sonntag, den 19. Februar 1899 wurde Ehrenfried Pfeiffer in München geboren. Er war ein zartes, sensibles Sieben-Monats-Kind, das am liebsten alleine spielte und wenn möglich in der freien Natur. Er war ein melancholisch-cholerischer Bube. Als er fünf Jahre alt war, starb sein Vater, und bald darauf zogen seine Mutter und er nach Nürnberg, wo ihre Eltern wohnten. Durch seinen Großvater, der Apotheker war, lernte er Heilpflanzen und die Chemie kennen. Ehrenfried Pfeiffers einziger Schulfreund, der ihn seit seinem neunten Lebensjahr auf seinen Wanderungen und bei seinen Musik- und Kunststudien begleitete, starb mit achtzehn Jahren.

Ehrenfried Pfeiffer studierte viele Bücher der Alchemie, über Naturkräfte und Naturwesen und hatte das Ideal, die hinter den Naturerscheinungen wirkenden Kräfte zu erfassen. Er wendete sich dann den Naturwissenschaften zu, die er mühelos erlernte. Im Krieg arbeitete er in den Bosch-Werken in Stuttgart und konnte in seinem achtzehnten Lebensjahr die Reifeprüfung machen. Um nicht töten zu müssen, meldete er sich freiwillig zur technischen Pioniereinheit und zog so in den Krieg.

Nachdem Ehrenfried Pfeiffer aus dem Krieg zurückkam, arbeitete er wieder in den Bosch-Werken in einem Betrieb für elektrische Beleuchtung in Stuttgart als Werkstudent. Er studierte Physik, Technologie und Elektrizität. Im Betrieb hörte er einen Vortrag von Dr. Carl Unger, der ihn sehr beeindruckte. In dem Vortrag wurde die Philosophie der Freiheit erwähnt, so daß er das Buch, als er zu Hause war, sofort lesen wollte. Seine Eltern waren schon lange Anthroposophen, hatten aber von Rudolf Steiner die Anweisung, Ehrenfried nicht zu beeinflussen, denn er sollte den Weg selber finden. Aber jetzt mit achtzehn Jahren hatte er den Weg gefunden und las noch weitere Grundwerke Rudolf Steiners. 1919 hörte Ehrenfried Pfeiffer in den Bosch-Werken einen Vortrag von Rudolf Steiner über die Dreigliederung. Ehrenfried Pfeiffer war von der Persönlichkeit tief beeindruckt und besuchte ab jetzt alle erreichbaren Vorträge Rudolf Steiners. Im selben Jahr hatte Ehrenfried Pfeiffer ein erstes Gespräch mit Rudolf Steiner, das für ihn wegweisend war.

Zu Weihnachten kam Ehrenfried Pfeiffer zum erstenmal nach Dornach. Bei seiner Ankunft hatte er ein Heimatgefühl wie nach einer langen Irrfahrt. Der Eindruck, den das Goetheanum auf ihn machte, war für ihn wie die Verkörperung einer Geistesbotschaft. Als Werkstudent beschäftigten ihn sogleich die technischen Fragen der Bühnentechnik, Beleuchtung und Ventilation, und er sprach darüber mit dem Architekten Aisenpreis. Aisenpreis schlug dann Rudolf Steiner vor, Ehrenfried Pfeiffer die technischen Aufgaben zu übertragen. Daraufhin berief Rudolf Steiner Ehrenfried Pfeiffer zur Mitarbeit nach Dornach. Er ging aber zunächst wieder nach Stuttgart, um sich die Einwanderungs- und Arbeitspapiere für die Schweiz zu besorgen.

In seinem einundzwanzigsten Lebensjahr zog Ehrenfried Pfeiffer nach Dornach um, und Rudolf Steiner wurde sein persönlicher Lehrer, der ihn bei allen Fragen des Studiums, das Ehrenfried Pfeiffer in Basel fortsetzte, jetzt aber mit dem Schwerpunkt Chemie, väterlich beriet. Die Jahre von 1920 bis 1925 verbrachte Ehrenfried Pfeiffer in unmittelbarer Nähe Rudolf Steiners. Für die Arbeiten am Goetheanum bekam er einen außergewöhnlich hohen Lohn von monatlich 300 sFr.

Ehrenfried Pfeiffers Fragen, die er Rudolf Steiner 1920/21 stellte und eine Grundlage für alles weitere Arbeiten waren, stellte Ehrenfried Pfeiffer am 27. Februar 1955 folgendermaßen dar:

«Die Frage, die Rudolf Steiner vorgelegt wurde, ehe die Arbeit entstand, war die Erforschung des Ätherischen: Wie sind die ätherischen Bildekräfte zu demonstrieren und überhaupt in eine solche Form hereinzuführen, daß man mit ihnen arbeiten kann? Wie läßt sich das Ätherische als eine neue Naturkraft bis in die Technik einführen? Denn es liegt im Wesen des Ätherischen, daß es nicht zerstört, sondern aufbaut und dadurch eine aulbauende Technik geschaffen werden könnte. Wie lernt man das Wissen -und später ein Handhaben des Ätherischen?» Ehrenfried Pfeiffer führte daraufhin unter den einfachsten Bedingungen Experimente unter Rudolf Steiners Leitung durch. 1921 entstand mit Guenther Wachsmuth das Forschungslaboratorium am Goetheanum. 1922 begannen die Versuche für die landwirtschaftlichen Präparate.

1920, innerhalb weniger Monate, erstellte Ehrenfried Pfeiffer nach Rudolf Steiners Anweisungen die Beleuchtungsanlage für die Bretterbühne in der Schreinerei. Rudolf Steiner wünschte eine dem diffusen Tageslicht ähnliche Beleuchtung, die so preiswert und wirksam als möglich sein sollte. Das Licht sollte, ständig wechselnd, den Farbstimmungen der Gedichte und der Bühnenbilder entsprechend, das jeweilige Geistgeschehen sichtbar machen. Da es seinerzeit eine solche Anlage nicht gab, ließ Ehrenfried Pfeiffer eine konstruieren. Im Ersten Goetheanum wurde dann unter großen technischen Mühen ebenfalls eine Beleuchtungsanlage installiert. Bei den Hauptproben und Aufführungen bediente Ehrenfried Pfeiffer die Anlage. Eines Nachts kam Rudolf Steiner alleine in den Großen Saal und ließ sich von Ehrenfried Pfeiffer die neue Installation stundenlang vorführen. Die verschiedenen Lichtwirkungen wurden bis an die Grenzen der Kapazität ausprobiert. Bei diesen Proben erlebte Ehrenfried Pfeiffer das farbige Licht wesenhaft, als Harmonie und Dissonanz, die den Menschen durchdringen. Rudolf Steiner strebt eine neue Kunst der Bühnenbeleuchtung an, die dem Goetheanum-Impuls entspricht. Ehrenfried Pfeiffer hat uns über siebenhundert Beleuchtungsangaben Rudolf Steiners in zwei großen Büchern überlassen, die noch heute ein unentbehrliches Studienmaterial sind.

Ein unbeschreiblicher, einschneidender Augenblick, den Ehrenfried Pfeiffer an der Seite Rudolf Steiners erlebte, war die Silvesternacht, in der die Arbeit eines Jahrzehntes und sehr vieler Menschen in einem großen Flammenmeer den Blicken entschwand. Ehrenfried Pfeiffer erlebte den Menschen Rudolf Steiner, aus dessen wenigen Worten ein ungeheuer überpersönlicher Schmerz und tiefste Verlassenheit sprachen.

Vor allem setzte sich Ehrenfried Pfeiffer für die spirituellen Impulse der Anthroposophie ein. Als Geistesschüler war er bestrebt, Geistorgane zu entwickeln. Als werdender Naturwissenschaftler und Forscher suchte er, spirituelle Erkenntnisse in Versuchsanordnungen umzusetzen und die Wissenschaft durch Geisteswissenschaft zu befruchten. So verbrachte Ehrenfried Pfeiffer einige äußerst ausgefüllte Jahre. Selbstverständlich war für ihn das tägliche Meditieren. Die Elementarwesen waren für ihn von seiner Kindheit an Realität.

Der 25. Februar 1925 brachte einen weiteren großen Einschnitt in Ehrenfried Pfeiffers Leben. Den Impulsen, die er durch die Arbeit mit seinem Lehrer erworben hatte, blieb er sein ganzes Leben lang treu und arbeitete unermüdlich durch viele Täler und über Höhen daran unbeirrbar weiter.

Zeitnotwendiges

Ehrenfried Pfeiffers letzter Vortrag am Goetheanum, am l. Oktober 1958, vermittelt Grundimpulse seiner Lebensarbeit und verweist auf zeitnotwendige Aufgaben der Bewegung (E. Pfeiffer: Vortrag 1. Oktober 1958, Nachschrift durch Lisa von Herwarth). Einige Grundgedanken daraus:
 

«Als ich als junger Mensch im Jahre 1920 nach Dornach kam und als Lehrling die ganzen Arbeiten machte, beschäftigte mich eine ganz bestimmte Frage ... die ich Rudolf Steiner stellte. Der Gedanke war: Wenn es in der Natur der physikalischen Energien (Elektrizität, Magnetismus und die spätere Atomenergie) letzten Endes liegt, zu einer Desintegration, einem Zersetzen und Zerfallen der heutigen Zivilisation zu führen - dann wäre es notwendig, eine Energie des Lebens zu entdecken und in die Technik einzuführen, die Gesetzmäßigkeiten des Aufbaus in sich trägt. Diese könnte im Menschen, ihrer Natur gemäß, solche Gedanken, Empfindungen und Willensimpulse auslösen, die ihn lehren, wachsen zu lassen, aufzubauen, zu synthetisieren und Gleichgewichte herzustellen. - Gibt es eine solche Energie? - Dr. Steiner antwortete, daß diese Energie im Ätherleib des Menschen, in den ätherischen Bildekräften, dem Wärme- und Lichtäther, dem chemischen Äther und dem Lebensäther wirksam ist. Er wies daraufhin, daß diese Energie an gewissen Stoffumsetzungen des menschlichen Körpers studiert werden könnte. Ich beziehe mich nicht auf die Kurse und Vorträge, sondern auf die direkte Antwort auf dieses Problem. Es war mein Gedanke, ob es durch eine Entdeckung und Anwendung solcher ätherischer Energien möglich wäre, eine aufbauende Technik und soziale Ordnung zu schaffen und diese vom Goetheanum aus in die Welt zu tragen. Als Antwort schlug Dr. Steiner einige ganz einfache Experimente vor, die ich dann für ihn durchführte. Aus deren Verlauf ersah er, daß es noch nicht an der Zeit sei, diese ätherische Energie bekanntzumachen und einzuführen. Ich wurde verpflichtet, darüber absolut zu schweigen. - Dann fragte ich nach den Bedingungen, die es gestatten, diese neue Energie zu entdecken und damit zu arbeiten. Da sagte Rudolf Steiner:
Eine Bedingung, damit diese Energie nicht mißbraucht wird, ist eine konsequente soziale Ordnung im Sinne der Dreigliederungsidee, wenigstens auf einem kleinen Gebiet auf der Erde.
Eine zweite Bedingung ist eine allgemeine Ausbreitung der Waldorfpädagogik, die dem Kinde eine spirituelle Entwicklung ermöglicht.
Physiologische Grundlage dieser positiven Entwicklung bildet eine gesunde Ernährung aus biodynamischer Landwirtschaft. -

Dr. Steiner wies mich darauf hin, daß erst einmal das Ernährungsproblem gelöst werden müßte, ehe es Menschen überhaupt möglich wird, geistig auf ätherische Impulse einzuwirken. Durch eine gesunde, in Gleichgewicht befindliche Ernährung werden im Menschen ätherische Kräfte ausgelöst, die für das Geistige frei werden. - Moralische Ideale, so führt Dr. Steiner aus, wird man fördern durch das Auslösen von Lichtkräften im Wärme-Luft-Organismus, das Auslösen von Tonkräften des chemischen Äthers im Flüssigkeitsorganismus, das Auslösen von Lebenskeimen im festen Organismus.

Die heutige degenerierte Ernährung läßt diese Kräfte missen. Sie begünstigt theoretische Ideen, die erkältend auf den Wärmeorganismus, lähmend auf den Licht- und Luftorganismus, ertötend auf den Ton, auslöschend auf das Leben einwirken.

Vor allem gilt es, im Inneren Substanz zu vergeistigen und diese durchgeistigte Substanz als neue, belebende Energie dem Kosmos zurückzugeben.

Das sind die Aufgaben, die uns gestellt sind. Auf der einen Seite das Ziel: die ätherische Energie vorzubereiten, die die Katastrophe in der Technik verhindern könnte. Auf der anderen Seite das Ziel jedes einzelnen Menschen, durch Arbeit am eigenen Innern, durch eine Vergeistigung der Materie, durch die Herzenskräfte, durch die Ätherisation des Blutes seinen physischen Leib zu verwandeln, zu vergeistigen; die Materie der Unternatur zu überwinden. Das ist möglich. Es ist möglich, auf dem Erkenntnispfad nicht nur sporadisch, sondern kontinuierlich und sehr fleißig zu gehen.

Bei einem jener Gespräche über diese zukünftige Energie und die Ätherisierung sagte Dr. Steiner: <Wenn Sie nur über den Beginn des Johannes-Evangeliums meditieren würden und das Buch Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten? studieren und beherzigen würden, wären Sie imstande, alle diese Fragen zu lösen und die gesamte Anthroposophie aus sich neu zu erwecken.> - Warum? Aus dem einfachen Grunde, weil im Beginn des Johannes-Evangeliums auf die beiden Urschöpferkräfte gewiesen wird, das Wort, den Logos, der die göttliche Weltenordnung auch in der Materie schafft, aus dem heraus man die Materie begreifen und umwandeln kann; und das Licht, das in die Finsternis schien, aus dem heraus gerade die Umwandlung vollzogen werden kann.

Das sind die Aufgaben, die uns gestellt sind. Wir haben sie bis heute nicht erfüllt. Wir vermögen nicht, als Antwort auf die Atomenergie die neue Ätherenergie zu schaffen, die neue Lebensaufbau- und Schöpfungskräfte in sich trägt. Das ist eine große Verpflichtung, die auf dem Goetheanum und uns allen, die an dieser geistigen Bewegung teilhaben, lastet. Eine Verpflichtung, dieses Ziel wenigstens ernsthaft ins Auge zu fassen.»
 

Das ganze Leben Ehrenfried Pfeiffers stand vollständig im Dienst der Erforschung und Anwendung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, des Sichtbarmachens der ätherischen Kräfte als Vorbereitung für den Umgang mit den lebenschaffenden Kräften als Gegenpol zu den tötenden Kräften der physischen Energien.

von © Arnold Johannes Jäger

Grundlage für diesen Artikel ist das Buch: Alla Selawry: Ehrenfried Pfeiffer, Pionier spiritueller Forschung und Praxis. Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 1987.